Klootschiessen

Geschichte

Die Ursprünge des Klootschiessens und die Wege seiner Verbreitung liegen im Dunkeln. Der Name leitet sich vom niederdeutschen Wort Kloot oder Klut (Klumpen) ab. Vermutlich hat es sich bei den Friesen, die Wurfgeschosse als Waffe einsetzen, im Mittelalter entwickelt. Als Wurfgerät wurden anfangs möglicherweise simple Klumpen aus Klei, dem schweren Marschboden, und Steine verwendet. Erste Nachrichten liegen aus dem 14. Jahrhundert aus der heutigen niederländischen Provinz Friesland vor, wo es aber nicht mehr verbreitet ist. Niederländische Deichbauer führten die Sportart dann im 17. Jahrhundert in Schleswig-Holstein ein. In Ostfriesland ist Klootschiessen erstmals im 18. Jahrhundert urkundlich nachgewiesen, war dort aber vermutlich schon früher bekannt.

Die in Schottland und Irland gefundenen Carved Stone Balls (gravierte Steinbälle) weisen in Grösse und Form eine erhebliche Ähnlichkeit zu den heutigen Klootkugeln auf und ein Zusammenhang wird vermutet. Die ältesten Carved Stone Balls sind 4000 Jahre alt. Publius Cornelius Tacitus (römischer Historiker * um 58; † nach 116) berichtet in seinem Werk Germania jedenfalls bereits von kriegerischen Friesen, die in der Marsch römischen Soldaten auflauerten und ihnen auf grosse Entfernungen getrocknete Lehmkugeln entgegenschleuderten. Dabei sollen die Würfe so gezielt geworfen worden sein, dass unter den römischen Soldaten grosse Furcht vor diesen Angriffen herrschte.

Ursprünglich war das Klootschiessen ein ungeregeltes Kräftemessen zwischen zwei Mannschaften, oft die männlichen Bewohner von rivalisierenden Nachbardörfern. Die Rivalitäten war dabei oft so gross, dass die Wettkämpfe in Schlägereien ausarteten. Deswegen wurde das Klootschiessen immer wieder von der Obrigkeit verboten. Ende des 19. Jahrhunderts setzte eine Versportlichung ein, die den Leistungsgedanken stärker in den Vordergrund rückte, verbindliche Wettkampfregeln hervorbrachte und zur Gründung erster Vereine führte. Die starke Bindung des Sports an das Dorfleben drückt sich noch heute darin aus, dass in den klassischen Klootschiessergebieten fast jedes kleine Dorf einen eigenen Klootschiesser- oder Bosselverein hat, in denen grosse Teile der Einwohnerschaft Mitglieder sind.

 

Wurfgerät

Zum Klootschiessen wird eine kleine, mit Blei gefüllte Kugel aus Hartholz oder Kunststoff verwendet. Die Kugeln unterscheiden sich sowohl regional als auch abhängig von der Disziplin und der Altersklasse in der Grösse und Gewicht. Der ostfriesisch-oldenburgische Holzkloot hat einen Durchmesser von 58 Millimetern und wiegt 475 Gramm, in Schleswig-Holstein ist er bei gleichem Durchmesser 25 Gramm schwerer (für Jugend- und Frauenklasse gelten geringere Masse). Bei internationalen Wettkämpfen wird für den Feldkampf die sogenannte Hollandkugel (65 Millimeter, 300 Gramm) verwendet.

 

Technik

Im Klootschiessen gibt es verschiedene Wurftechniken. Entscheidend ist dabei, dass der Kloot so weit wie möglich fliegt, bevor er aufkommt. Die einfachste Form der Wurftechnik ähnelt der des Kegelns. Dabei wird der gestreckte Wurfarm zum Schwungholen im Laufen von hinten nach vorne geführt, und zwar „unter der Hand“, das heisst, der Arm wird unten herum geführt und nicht, wie beispielsweise beim Handball, über die Schulter gehoben. In Wettkämpfen haben sich der Drehwurf (auch Rundschlag genannt) und der sogenannte Flüchterschlag durchgesetzt.

Beim Drehwurf nimmt der Werfer mit seitlich ausgestrecktem Wurfarm einige Schritte Anlauf, dreht sich einmal um seine eigene Achse, um Schwung zu holen, und lässt dann los. Diese dem Diskuswerfen ähnelnde Technik kommt aus Schleswig-Holstein.

Deutlich höhere Weiten lassen sich mit dem Flüchterschlag, wie er in Oldenburg und Ostfriesland praktiziert wird, erzielen. Allerdings ist diese Technik viel komplizierter und erfordert höchste Konzentration und gute Körperbeherrschung. Beim Flüchten steht in der Regel an der Abwurfstelle eine kleine Holzrampe. Der Werfer nimmt einen längeren Anlauf (15 bis 25 Meter). Zwei Schritte vor der Rampe wird der gestreckte Wurfarm möglichst nah am Körper nach hinten genommen, dann erfolgt der Absprung mit dem rechten Bein (bei Rechtshändern) auf die Rampe. Dabei wird der Wurfarm unter der Hand schnell nach vorne geführt und der Körper um 90 Grad gegen den Wurfarm gedreht, so dass die Brust den Oberarm berührt. Der Werfer vollendet nach dem Auftreffen auf die Rampe die Drehbewegung mit dem gestreckten Arm und lässt die Kugel in der erneuten Aufwärtsbewegung des Armes los.

 

Disziplinen

 

Feldkampf

Die traditionelle Wettkampfart im Klootschiessen ist der Feldkampf (in den Niederlanden de Langebaan), in dem zwei Mannschaften gegeneinander antreten. Wettkampfgelände ist die unbenutzte Feldflur, daher fällt die Saison der Klootschiesser in die Winterzeit, wenn die Äcker brach liegen.

Es wird wert auf einen Untergrund gelegt, auf dem der Kloot noch lange rollen (auf Plattdeutsch trüllen) kann, nachdem er auf den Boden gekommen ist. Grosse Feldkämpfe wie der traditionelle Ländervergleich zwischen Ostfriesland und Oldenburg werden deshalb nur ausgetragen, wenn der Boden durchgefroren und sehr hart ist. Aus klimatischen Gründen kommt dieser Kahlfrost an der Nordseeküste aber nur selten vor, so dass nicht jedes Jahr ein solcher Wettkampf stattfinden kann.

Die Einzelvariante des Feldkampfs wird als Werfen „mit der Hollandkugel“ bezeichnet.

 

Standkampf

Beim Standkampf (in den Niederlanden de Kortebaan) wird auf Weite geworfen. Dabei wird von einem festen Abwurfpunkt aus bis zu der Stelle gemessen, an der der Kloot nach dem Flug aufschlägt. Weil für den Standkampf weniger Platz gebraucht wird als für den Feldkampf, kann er auch auf Sportplätzen oder eigenen Klootschiesser-Anlagen ausgetragen werden.

 

Regeln

Der Feldkampf wird bei regulären Wettbewerben in vier Durchgängen mit je vier Werfern ausgetragen und zieht sich deshalb über Stunden und lange Strecken hin. Es wird abwechselnd immer von der Stelle aus geworfen, an der die Bosselkugel des vorherigen Werfers der eigenen Mannschaft liegen geblieben ist. Gewonnen hat am Ende die Mannschaft, die vorne liegt.

Beim Werfen „mit der Hollandkugel“ ist derjenige Sieger, der eine festgelegte Strecke mit den wenigsten Würfen zurücklegt. Bei gleicher Wurfzahl wird die insgesamt zurückgelegte Strecke, also auch die Strecke hinter der Ziellinie, gewertet.

Den Standkampf gibt es als Einzel- und Mannschaftswettbewerb. Jeder Werfer hat vier Würfe, der beste wird gewertet. Für die Mannschaftswertung werden die Ergebnisse der Werfer zusammengezählt.