Strassenbosseln

Geschichte

Das Strassenbosseln entwickelte sich in Deutschland Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Klootschiessen. Es nahm an Beliebtheit schnell zu, als immer mehr Strassen befestigt wurden und weil es einfacher zu spielen war als das Klootschiessen mit seiner technisch anspruchsvollen Wurftechnik. Zum Freizeit- und Breitensport wurde das Bosseln aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Unklar, weil noch unerforscht, ist, ob sich die regionalen Bosselvarianten unabhängig voneinander entwickelt oder gegenseitig beeinflusst haben. Direkter Einfluss ist allerdings dort sicher, wo das Bosseln wie in Teilen der USA und in Nordrhein-Westfalen durch Einwanderer oder Zugezogene eingeführt wurde.

Wurfgerät

Viel grösser als beim Klootschiessen sind die regionalen Unterschiede bei den verwendeten Kugeln im Strassenbosseln. In Ostfriesland und im Oldenburger Land wird mit Gummi- und Kunststoffkugeln geworfen, die zwischen 8,5 (Jugend F) und zwölf Zentimeter (Männer) durchmessen. Die Kunststoffkugel heisst dort auch „Holz“, weil sie im Wettbewerb den früher üblichen Pockholter, eine Bossel aus dem harten Holz des Guajak-Baumes, abgelöst hat.

Ebenfalls aus Holz oder Kunststoff, aber mit einem Durchmesser von 65 bis 90 Millimetern etwas kleiner ist die Boccia (auch Boccetta genannt) in Italien. In Schleswig-Holstein und in den Niederlanden werden die gleichen Kugeln wie beim Klootschiessen verwendet, und in Irland ist die 800 Gramm schwere Eisenkugel (58 Millimeter Durchmesser) das traditionelle Wurfgerät. Die Eisenkugel, die beim spanischen Tiro de Bola geworfen wird, ist mit 1670 Gramm das schwerste Wurfgerät.

Zur Grundausstattung einer Bosselmannschaft zählt neben den Kugeln unbedingt ein Klootsoeker der dazu dient, Kugeln aus wasserführenden Strassengräben zu fischen. Er besteht aus einem Korb, an dem ein langer Stiel befestigt ist.

Technik

Beim Bosselwurf wird der Arm im Laufen zunächst nach hinten bewegt und anschliessend unter der Hand mit einer schnellen Bewegung wieder nach vorne geschnellt, um die Bosselkugel mit einer hohen Geschwindigkeit loszulassen. Dabei kommt es darauf an, die Flugbahn nicht zu steil werden zu lassen, damit die Kugel nach der Landung auf der Strasse noch möglichst weit rollt. Durch verschiedene Techniken beim Abwerfen kann der Bossler der Kugel einen Drall mitgeben, der es möglich macht, um eine Kurve zu werfen. Im Plattdeutschen werden diese Techniken överd Dum (über den Daumen) und överd Finge (über den Finger) genannt. Der normale Abwurf ohne Drall wird liek ut Hand (gerade aus der Hand) genannt.

Auf geraden Strecken mit geeignetem Untergrund können Spitzen-Bossler mit der Gummikugel problemlos Weiten von 200 Metern mit einem Wurf erzielen.

Disziplinen

Weidebosseln

Beim Weidebosseln wird mit dem Pockholter (Holzkugel) ähnlich wie beim Standkampf im Klootschiessen von einem festen Abwurfpunkt auf Weite geworfen. Wie der Name verrät, wurde früher auf Weiden oder Feldern geworfen. Heute werden die Wettkämpfe auf Klootschiesser-Anlagen oder Sportplätzen ausgetragen.

Hallenbosseln

Zur Demonstration der Sportart Bosseln vor allem in Schulen hat der Friesische Klootschiesser-Verband das Hallenbosseln eingeführt. Dabei werden Anfänger mit der Technik und den Bewegungsabläufen des Strassenbosselns vertraut gemacht.

Regeln

Das deutsche Strassenbosseln wird als Streckenwerfen auf der Strasse ausgetragen. Dabei treten zwei Mannschaften (bei offiziellen Wettkämpfen je nach Altersklasse in zwei oder vier Gruppen mit je vier Werfern) gegeneinander an. Die Mannschaften werfen abwechselnd, wobei das zurückliegende Team jeweils den ersten Wurf hat. Jeder Werfer setzt mit seinem Wurf am Landepunkt des Vorwerfers seiner Mannschaft an. Gelingt es dabei dem Werfer des zurückliegenden Teams nicht, den Rückstand wettzumachen, erhält der Gegner einen Punkt, der Schoet oder Wurf genannt wird. Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Schoets zu erzielen. Die Streckenlänge ist unterschiedlich, da je nach Strassenbeschaffenheit die Wurflänge unterschiedlich ausfällt. Sie sollte so sein, dass jeder Werfer zwischen zehn und zwölf Würfe zu absolvieren hat. Dadurch beträgt die Gesamtstreckenlänge, die die Spieler zurücklegen müssen, mehrere Kilometer. Im offiziellen Spielbetrieb ist auf halber Strecke eine Wende vorgeschrieben.

Die lange Wegstrecke und häufige Unterbrechungen durch den Verkehr auf den öffentlichen Strassen führt dazu, dass Wettkämpfe zwei bis drei Stunden und länger dauern. Gesperrt werden Strassen nur bei grossen Wettkämpfen wie der Deutschen Meisterschaft, bei denen neben den Spielern auch zahlreiche Zuschauer die Wurfstrecke säumen.

Bosseln wird auch als Einzelwerfen ausgetragen, zum Beispiel bei den nationalen Meisterschaften. Es gewinnt der Bossler, der mit zehn Würfen nacheinander die grösste Weite erzielt hat. Beim irischen Road Bowling wird dabei Mann gegen Mann geworfen, wobei der Bessere eine Runde weiterkommt. Dieses K.O.-System wird in Deutschland bei einigen Preisbossel-Turnieren angewandt.